top of page
DALL·E 2025-03-01 18.18.28 - A mystical and elegant logo for author Lilith Blackwood. The
gang.jpeg
Luna Mutter im Wald

Leseprobe 

Selene und Luna.jpeg
tor offen.jpeg

Das Siegel der Vergangenheit

Die Wände des Tempels schienen immer enger zu werden, und Lunas Herz pochte heftig, als sie schließlich vor einer massiven Tür standen. Selene blieb dicht hinter ihr stehen, schweigend, aber aufmerksam.

Die steinerne Tür war alt. Uralte Runen zogen sich über ihre gesamte Oberfläche, eingeritzt in das glatte Gestein, das selbst nach Jahrhunderten unversehrt schien.

Staub wirbelte in den Lichtstrahlen, die durch das kleine Fenster der verborgenen Kammer fielen, und verstärkte die unheimliche Stille des Ortes.

Luna stand davor, die Hände auf das kalte Gestein gelegt. Zum dritten Mal heute.

Sie hatte es versucht. Immer und immer wieder.

Zuerst hatte sie es mit den Worten der Macht versucht, mit Gebeten, mit Berührungen. Doch nichts hatte sich verändert. Die Kammer blieb verschlossen, als würde sie sich über ihre Bemühungen lustig machen.

Hinter ihr stand Selene, die Arme verschränkt, die Stirn besorgt gerunzelt. "Luna... vielleicht braucht es einen anderen Schlüssel. Etwas, das wir noch nicht kennen."

Luna presste die Lippen zusammen. "Nein. Ich weiß, dass ich es bin."

Sie konnte es spüren – tief in ihrem Inneren, wie eine Erinnerung, die sich ihr entziehen wollte. Diese Kammer gehörte ihrer Mutter. Und wenn jemand sie öffnen konnte, dann sie.

Doch warum gelang es ihr nicht?

 

Die Tage vergingen... und mit ihnen ihre Geduld.

Jeden Tag kehrte sie zurück. Selene hatte ihr anfangs beigestanden, doch irgendwann war ihr nur noch ein besorgtes Seufzen geblieben. "Vielleicht solltest du eine Pause machen, Luna."

Doch Luna konnte nicht aufhören. Die Kammer wurde zu einer Obsession. Sie schlief kaum noch.

 Die Nächte verbrachte sie mit alten Schriften, in der Hoffnung, eine Antwort zu finden.

 

Doch es gab keine Hinweise, keine geheime Formel, kein verborgenes Wort.

Nur diese Tür.

Und ihr eigenes Unvermögen.

 

Der Tag des Zusammenbruchs

 

Es war der fünfte Tag.

Luna stand erneut vor der Kammer. Ihre Hände zitterten, ihre Augen brannten. Ihre Knie fühlten sich weich an, doch der Schmerz der Niederlage war noch schlimmer. Sie legte die Stirn gegen die kühle Steinwand, ihre Fingerspitzen suchten Halt auf dem glatten Gestein.

„Warum…? Warum kann ich es nicht?“

Ihre Stimme war brüchig, kaum mehr als ein Flüstern.

Ein Schatten erschien hinter ihr. Selene. "Luna… du musst nicht—"

„Doch!“ Die Wut brach aus ihr hervor. Sie drehte sich um, ihre Augen brannten. "Ich muss. Ich… ich muss es einfach."

Selene wich einen Schritt zurück, ihr Gesicht war angespannt. "Was ist los mit dir? Warum setzt du dich so unter Druck?"

"Weil es meine Mutter war!" Lunas Stimme hallte in den leeren Gängen wider. Ihr Atem ging schnell, ihre Finger ballten sich zu Fäusten. "Weil ich wissen muss, wer sie war. Weil ich beweisen muss, dass ich nicht umsonst hier bin!"

Ein Moment des Schweigens.

Dann schüttelte Selene den Kopf. Ihre Augen, die sonst immer voller Verständnis waren, wirkten nun verletzt. "Ich wollte dir helfen, aber du lässt mich nicht. Wenn du das allein durchstehen willst – bitte."

Sie drehte sich um.

Luna sah zu, wie sie langsam den Gang hinunterschritt. Ein Teil von ihr wollte Selene zurückhalten, sich entschuldigen – doch stattdessen war da nur die brennende Wut.

Und dann –

Ein Flüstern.

Sanft. Leicht wie ein Windhauch, kaum wahrnehmbar.

„Luna…“

Luna erstarrte. Ihr Herz setzte einen Schlag aus.

„Du bist bereit.“

Ihre Augen weiteten sich. Die Stimme – sie kam nicht von Selene. Sie kam aus den Tiefen der Kammer.

Von dort, wo niemand sein konnte.

Ihre Mutter.

Etwas brach in ihr. Die Müdigkeit, die Frustration, die Zweifel – sie fielen von ihr ab wie alte Fesseln. Stattdessen blieb nur ein Gefühl zurück.

Eine Gewissheit.

Sie öffnete die Augen.

Zum letzten Mal legte sie die Hand auf den Stein.

Doch diesmal war es anders.

Es war nicht mehr nur ein Versuch. Es war nicht mehr nur Wollen. Es war Wissen.

Eine warme, sanfte Kraft regte sich in ihr. Nicht stark – nicht so wie in den Legenden der Priesterinnen. Doch sie war da. Ein Funke. Ein Hauch von Licht, der durch sie hindurchfloss, als hätte sie ihn schon immer besessen.

Das Licht sammelte sich in ihren Fingerspitzen. Erst schwach, dann stärker. Ihre Haut prickelte.

Der Stein unter ihrer Hand vibrierte.

Luna hielt den Atem an.

Dann –

Ein leises Klicken.

Selene blieb abrupt stehen.

Sie drehte sich langsam um, ihre Lippen leicht geöffnet, ihre Augen voller Unglauben.

„Luna…?“

Luna keuchte, ihr Brustkorb hob und senkte sich rasch. Sie spürte noch immer die Wärme in ihren Fingern, das letzte Echo dieser Kraft.

Und vor ihr –

Die Kammer stand offen.

Selene trat langsam näher, als könne sie nicht glauben, was sie sah. "Das… das kann nicht sein…"

Doch es war geschehen.

Luna hatte es getan.

 

 

Die verborgene Kammer war nicht so, wie sie es erwartet hatte. Kein strahlendes Licht, keine glänzenden Schätze. Stattdessen war der Raum klein, beinahe unscheinbar. Doch die Luft schien zu vibrieren, erfüllt von einer Präsenz, die Luna bis ins Innerste berührte.

An den Wänden hingen verblasste Wandteppiche, die Geschichten aus einer anderen Zeit erzählten. In der Mitte des Raumes stand ein einfacher Altar, darauf ein alter Kelch und ein Amulett, das im schwachen Licht des Mondes schimmerte.

Selene trat an ihre Seite. "Das war es, worauf du gewartet hast?"

Luna nickte stumm. Sie wusste, dass dies erst der Anfang war. Das Amulett rief nach ihr, und mit jeder Sekunde, die verstrich, spürte sie die Verbindung zu ihrer Mutter stärker als je zuvor.

bottom of page